Plagiatesuche

Der AStA steht der Nutzung von „Plagiatserkennungssoftware“ kritisch gegenüber und hat unten stehendes Positionspapier erarbeitet.

Positionspapier des AStAs

Der AStA lehnt eine automatisierte Prüfung studentischer Arbeiten auf Plagiate ab. Diese Art der Suche nach Plagiaten schadet Wissenschaft und Bildungsstandards, wie im Folgenden ausgeführt wird.

  • Fairness. Es ist unfair für die große Menge nicht plagiierender Studierender, wenn sie durch flächendeckende oder auch stichprobenartige automatisierte Prüfung ihrer Arbeiten unter einen generellen Plagiatsverdacht gestellt werden. Eine Umkehrung der Unschuldsvermutung ist nicht hinnehmbar.
  • Wirksamkeit. Es gibt bislang keinen Nachweis dafür, dass mit Einführung automatisierter Plagiatssuche die Anzahl und/oder Schwere der Plagiatsfälle sinkt. Dieser Nachweis wird auch nie erbracht werden können. Zahlen bislang erkannter Plagiatsfälle mit und ohne automatisierte(r) Prüfung sind nicht aussagekräftig, denn über die Dunkelziffer wird man nie etwas erfahren. Somit ist der einzige sinnvolle Ansatzpunkt das Schaffen eines universitären Klimas, welches das Erstellen von Plagiaten abwegig macht. Die Einführung einer automatisierten Plagiatssuche hingegen fordert geradezu Nachlässigkeit bei der menschlichen Durchsicht der Arbeiten heraus.
  • Datensicherheit und Verhältnismäßigkeit. Zentrale elektronische Datensammlungen bergen grundsätzlich die Gefahr von unerwarteten Datenaggregationen, -manipulationen und -verwertungen, zumal studentische Werke personenbezogene (Name, Matrikelnr.) und personenbeziehbare (Lehrveranstaltung, Schreibstil, inhaltliche Bezüge) Daten enthalten. Auch aus diesem Grund ist eine zentrale Speicherung, und sei sie noch so kurz, von in elektronischer Form abgegebenen studentischen Werken nicht wünschenswert, ob nun an der Universität Hildesheim oder bei Dritten. Eine solche Speicherung könnte leicht Begehrlichkeiten wecken und stünde in keinem Verhältnis zu dem erklärten Ziel, die Anzahl von Plagiaten zu verringern.
  • Gewöhnung an Überwachung mit technischen Mitteln. Seit rund einem Jahrzehnt ist in verschiedensten Bereichen ein schleichender, aber deutlicher Ausbau von technischen Maßnahmen zu beobachten, die zur Überwachung und Kontrolle von Menschen eingesetzt werden können. Diese Entwicklung macht leider auch vor Universitäten nicht Halt (Videoüberwachung, RFID-Chips, zentrale Datenbanken usw.). Menschen werden nach und nach daran gewöhnt, sich beobachtet zu fühlen und so an freiem Denken und Handeln gehindert. Angst wird zum Hauptmotivator. Flächendeckende Kontrollen durch automatisierte Plagiatsprüfung wären ein weiterer Baustein dieser Entwicklung, die der ursprünglichen Idee einer Universität zuwiderläuft.
  • Umgang miteinander. Statt eine Software Menschen wie auch immer motivierter Plagiate zu verdächtigen und zu überführen, muss wieder mehr miteinander geredet werden – nicht nur nach dem Erkennen eines Plagiats, sondern auch schon lange davor. Mit guter Betreuung von Studierenden und ihren Werken werden Plagiatsfälle von selbst selten.
  • Urheberrechte. Es darf nicht zur Bedingung für ein Studium gemacht werden, dass Inhaber(innen) von Verwertungsrechten (und somit auch Verfasser(innen) von Seminararbeiten etc.) ihre Werke elektronisch abgeben und einer automatisierten Prüfung unterwerfen lassen.
  •  Zeitaufwand. Wenn automatisierte Plagiatssuche mit dem nötigen Bedacht genutzt wird, entsteht keine signifikante Zeitersparnis bei der Korrektur von Arbeiten. Es ist zudem höchst zweifelhaft, dass ohnehin überlastete Korrigierende eventuell durch die Automatisierung gesparte Zeit in Lehre und Betreuung der Studierenden investieren (können). Unser aktuelles Universitätssystem tendiert dazu, freiwerdende Kapazitäten nicht etwa zur Entfaltung und Entspannung in jedem Sinne zu nutzen, sondern diese Kapazitäten alsbald durch das Verteilen neuer Aufgaben zu eliminieren. Eine „Personaleinsparung“ durch automatisierte Plagiatssuche würde in eine geistige Einsparung auf allen Seiten münden.
  • Bedienung. Nicht nur werden bei automatisierter Plagiatssuche die Werke der Studierenden zum bloßen Datenfutter, das – sofern angepasst an die technischen Möglichkeiten der Software – beliebig manipuliert werden kann (z. B. durch Plagiatsformen, welche die Software erfahrungsgemäß nicht findet). Auch entsteht auf Seiten der Korrigierenden eine verzerrte Wahrnehmung: Von der Software markierte Textstellen suggerieren Probleme. Findet die Software nichts, ist die Versuchung groß, die sachverständige Durchsicht der Arbeit zu vernachlässigen. Es liegt nahe, dass gerade überlastete Korrigierende die Software „arbeiten lassen“ wollen statt sie nur als ergänzendes Werkzeug, d. h. als spezialisierte Suchmaschine, bewusst einzusetzen. Dementsprechend darf die Lösung nur sein, mehr Personal, mehr Fachwissen und mehr gesunden Menschenverstand bei der Korrektur walten zu lassen und keine intransparente Software.
  • Symptombehandlung. Das Auftreten von Plagiaten ist ein Symptom eines kranken Bildungs- und Wissenschaftssystems. Es bedeutet für nichts und niemanden einen Fortschritt, dieses Symptom mit technischen Maßnahmen behandeln zu wollen. Was stattdessen wirklich benötigt wird, ist ein Bildungs- und Wissenschaftsssystem, in dem Menschen Arbeiten verfassen, weil es sie und andere weiterbringt. In einer Atmosphäre, in der jeder Mensch stolz auf seine Werke sein kann und sie nicht nur schreibt, um ECTS-Punkte zu sammeln, ist der Anreiz zum Plagiieren minimal. Die Entwicklung hin zu einer solchen Atmosphäre wird durch die Einführung einer automatisierten Plagiatsprüfung verhindert.

Der AStA meint: Es darf keine Pflicht zur Abgabe von studentischen Werken in elektronischer Form in Prüfungsordnungen, insbesondere in der Rahmenprüfungsordnung, geben. Studentische Werke dürfen nicht zentral gespeichert und verwertet werden. Sie dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden. Software zur automatisierten Plagiatsprüfung, insbesondere, wenn Letztere flächendeckend oder stichprobenartig erfolgen soll (d. h. nicht auf Grundlage eines konkreten Verdachts), darf nicht zum Einsatz kommen.

Ergänzende Stellungnahme vom 14.05.2012

Zur Zeit existiert der Entwurf einer integrierten, d. h. studiengangsüber-greifenden Prüfungsordnung, in der u. a. Folgendes festgeschrieben werden soll:

Für Studierende:

  • Pflicht zum Hochladen studentischer Arbeiten in elektronisch lesbarer Form an zentraler Stelle (momentan wäre dies das LSF)
  • Pflicht zum Entfernen von Name, Anschrift und Matrikelnummer im Falle der Weitergabe an einen externen Anbieter

Für Korrigierende bzw. andere Teile der Uni:

  • Erlaubnis zum Einsatz von Software zur Erkennung(!*) von Plagiaten, auch extern
  • keine Auflagen zum Einsatz solcher Software (beispielsweise Zustimmung der/des Betroffenen und des zuständigen Prüfungsausschusses)

Dieser Entwurf soll in den Fachbereichsratssitzungen diskutiert und abgestimmt werden.

Wie inzwischen bekannt wurde, tendiert das Präsidium dazu, in seine Empfehlung an die Fachbereichsräte ausdrücklich keine verdachtsunabhängige automatisierte Prüfung von studentischen Arbeiten aufzunehmen.

Der AStA begrüßt dieses Signal gegen generelle Verdächtigungen, weist jedoch darauf hin, dass die weiteren im Positionspapier genannten Punkte damit noch keine Berücksichtigung gefunden haben. Zudem gilt es zu bedenken:

Nicht nur bestehen weiterhin alle Probleme, die eine Pflicht zum zentralen Hochladen der Arbeiten mit sich bringt, auch kann die Vorgabe, nur in Verdachtsfällen zu prüfen, sehr weit ausgelegt werden: „Verdachtsfälle“ lassen sich schnell konstruieren und ein paar Klicks der/des Korrigierenden genügen, um doch noch eine automatisierte Prüfung durchführen zu lassen, zumal die Arbeit ja schon elektronisch quasi dafür bereit liegt. Dabei drängen sich die meisten Plagiatsverdachtsfälle ganz einfach durch aufmerksame Lektüre auf, was einer der Gründe ist, welche die Kosten-Nutzen-Betrachtung der Investitionen in Docoloc äußerst fragwürdig machen.

Laut dem PO-Entwurf soll die/der Studierende, wenn überhaupt, dann frühestens nach der automatisierten Prüfung über diese informiert werden, obwohl Erfahrungen zeigen, dass ein umgehendes persönliches Gespräch oft nachhaltiger wirkt. Der Entwurf sieht weiterhin nicht vor, dass (insbes. studentische) Gremien in eine Entscheidung zur automatisierten Prüfung einbezogen werden. Nicht einmal die Beauftragten für Datenschutz sollen über die Einsatzhäufigkeit informiert werden. Dabei benötigte man Kenntnisse darüber, wer wie oft automatisierte Prüfungen veranlasst, um inflationäre Verdächtigungen wenigstens zu erfassen.

Es ist außerdem nicht hinzunehmen, dass Urheber, in diesem Fall die Studierenden, über das für die Bewertung notwendige Maß hinaus die Verwertung ihrer Werke ermöglichen, Datenmissbrauch begünstigen und den etwaigen willkürlichen Einsatz von automatisierten, jedoch per se unzuverlässigen Textprüfungen hinnehmen sollen. Schon jetzt berichten Studierende im Zusammenhang mit dem zentralen Hochladen und der automatisierten Prüfung von Ängsten. Dass es in der Lehre auch um die Vermeidung von Plagiaten gehen muss, steht außer Frage, doch hat sich durch die Entwicklungen der letzten Jahre an unserer Universität stellenweise bereits eine ungesunde Fixierung auf das Thema eingeschlichen, verbunden mit Misstrauen gegenüber den Studierenden. Die Sorge Studierender, aus Versehen zu plagiieren oder gar unverschuldet eines Plagiats verdächtigt oder bezichtigt zu werden, ist eindeutig vorhanden.

Bei der „hora academica“ hat sich erfreulicherweise ein Präsidiumsmitglied deutlich gegen eine solche Misstrauensatmosphäre ausgesprochen. Damit diese jedoch tatsächlich eingedämmt werden kann, müssen vor den Abstimmungen in den Fachbereichsräten Änderungen im Entwurf der integrierten Prüfungsordnung erfolgen.

Der AStA fordert den Ersatz von § 17 (3), § 17 (4), § 24 (1) durch diese Vorschriften:

  • Software zur automatisierten Prüfung von Arbeiten auf gleiche oder ähnliche Textstellen zum Zweck der Plagiatssuche darf nicht eingesetzt werden, weder als externe Dienstleistung noch universitätsintern. Stattdessen hat die/der Korrigierende mit Hilfe ihrer/seiner Sachkenntnis und fachlichen Erfahrung die Arbeiten sorgfältig zu lesen, und zwar sowohl im Hinblick auf mögliche Plagiate als auch auf den Inhalt.
  • Ergibt sich dabei ein Plagiatsverdacht, hat die/der Korrigierende unverzüglich das persönliche Gespräch mit der/dem Studierenden zu suchen.
  • Niemand muss ihre/seine Urheberschaft unkenntlich machen.
  • Eine zentrale elektronische Erfassung von studentischen Arbeiten findet nicht statt. Es gibt keine Pflicht zur elektronischen Abgabe, insbesondere nicht zum Hochladen im LSF o. ä.

Wenn universitäre Lehre in ihrem ursprünglichen Sinne wirken, d. h. bilden und das Denken fördern soll, dann ist eine entspannte Lernatmosphäre ohne die genannten Ängste und Gefahren unabdingbar.

Verlust von Kontrolle über Datensammlungen (oft einhergehend mit einem Zuwachs an Macht derjenigen, die über die Daten verfügen) kann nicht mit vertraglichen Bestimmungen oder technischen Hürden vorgebeugt werden, sondern nur durch konsequente Datensparsamkeit und Stärkung der informationellen Selbstbestimmung – auch an einer Studierendenuniversität.

Die Universität Hildesheim kann jetzt ein Zeichen setzen, indem sie sich in der integrierten Prüfungsordnung klar gegen unnötige(!*) Datensammlungen und automatisierte Prüfung auf plagiatsverdächtige Textstellen (vulgo „Plagiatssoftware“) ausspricht. Dies nicht zu tun, wäre ein Eingeständnis von mangelnder Kompetenz des Lehrpersonals und fehlender Sensibilität für Datensicherheit.

Die aktuelle hochschulpolitische Debatte muss jetzt tatkräftig genutzt werden. Wird nur halbherzig vom Generalverdacht abgerückt, die Tür zum gefährlichen Terrain aber offen gelassen, droht in wenigen Jahren ein schleichender GAU. Die „Verdachtsfälle“ werden sich häufen. Es wird heißen, die automatisierte Prüfung habe sich ja bewährt, nun könne man sie auch flächendeckend einsetzen. Angst beim Schreiben und Oberflächlichkeit beim Korrigieren werden weiter um sich greifen. Arbeiten mit personenbezogenen und personenbeziehbaren Daten werden weiter gesammelt und verknüpft werden – bis die ersten Fälle von Missbrauch, von ungeplanter Aggregation und Verwertung, bekannt werden. Doch dann wird es zu spät sein.

* Es ist offensichtlich, dass solche Software nicht der Plagiatserkennung dienen kann. Im folgenden Text wird daher auch von „automatisierter Suche“ gesprochen. Gemeint ist in beiden Fällen, dass die studentischen Arbeiten eine spezielle Software (in unserem Falle Docoloc) durchlaufen. Diese erstellt dann einen sog. Prüfbericht, der Textstellen findet, die bereits woanders (Quellen sind geheim) existieren. Korrekte Zitate werden so auch gefunden und selbstverständlich ist es gut möglich, dass Plagiate nicht gefunden werden, weil die Software die entsprechende Textquelle nicht kannte. Zur Zuverlässigkeit von solcher Software sei auf die Tests der HTW Berlin verwiesen, in denen übrigens Docoloc als „für Lehre kaum brauchbar“ klassifiziert wurde.

Das Positionspapier des AStA der Universität Hildesheim zur Einführung automatisierter Suche nach plagiatsverdächtigen Textstellen in studentischen Arbeiten steht unter einer Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.

Weiterführende Verweise